Der Neuanfang
Neuanfang bedeutet, tief und ehrlich in uns selbst, in unsere vergangenen Taten, Worte und Gedanken hineinzuschauen. Wir fangen in uns selbst und in unseren Beziehungen neu an. Wir praktizieren den Neuanfang, um unseren Geist zu reinigen und unsere Übung lebendig zu halten.
Wenn in unseren Beziehungen zu Mitpraktizierenden ein Problem auftaucht und jemand ärgerlich oder verletzt ist, dann wissen wir, dass es Zeit für einen Neuanfang ist. Im Folgenden wird der 4-teilige Prozess des Neuanfangs beschrieben, wie er formal praktiziert wird. Solange eine Person an der Reihe ist, wird sie nicht unterbrochen. Während sie redet, übt die Mitpraktizierende tiefes Zuhören und folgen dabei ihrem Atem.
1) Blumen gießen – Wir leben mit einem uns eng verbundenen Menschen zusammen und teilen den Alltag. Doch wie oft teilen wir dem Anderen unsere Dankbarkeit mit, das was wir an ihm schätzen, was uns Freude gebracht hat? Jeder weiß, wie gut ein paar positive Worte tun können, doch so häufig werden sie in der Alltagsroutine vergessen. Hier ist nun die Gelegenheit, dem Anderen dieses mitzuteilen. Wir gießen seine Blumen, die sichtlich schnell aufblühen und wir wässern die Samen der positiven Qualitäten sowohl im Anderen als auch in uns selbst.
2) Unser Bedauern ausdrücken – Wir sprechen Fehler und Ungeschicklichkeiten in unserem Handeln, unseren Worten und Gedanken an und auch das, was wir nicht sagten oder taten, für das wir uns noch nicht entschuldigen konnten. Der Anderen wird deutlich, dass wir uns unserer Handlungen und ihrer Auswirkungen bewusst sind und uns bemühen, uns zu verändern.
3) Unsere Schwierigkeiten mit den Anderen Teilen – Von Zeit zu Zeit mögen wir Problemen begegnen, die uns für eine Weile sehr beschäftigen, seien es Schwierigkeiten aus der Vergangenheit, Sorgen und Anteilnahme am Leben eines uns nahestehenden Menschen, berufliche oder gesundheitliche Probleme… All dies kann dazu beitragen, dass wir nicht besonders glücklich aussehen, weniger ausgeglichen und unachtsam sind. Der oder die Andere können falsche Vorstellungen von uns entwickeln, sich mitschuldig fühlen. In dem wir uns öffnen und unsere Schwierigkeiten mitteilen, können wir sowohl zu besserem Verständnis beitragen, als auch konkrete Hilfe und Unterstützung geben.
4) Eine eigene Verletzung mitteilen – Wenn wir uns durch Worte oder Taten der Anderen verletzt fühlen, können wir uns hier in diesem ruhigen und sicheren Rahmen mitteile. Wir tun dies allerdings erst, nachdem wir nach der Verletzung wieder zur Ruhe gekommen sind. Bevor wir uns in Rahmen des Neuanfangs aussprechen ist es sehr wichtig, die Blumen der Anderen wenigstens zweimal zu gießen, um in uns selbst eine positive Haltung zu erzeugen und der Anderen zu zeigen, dass wir sie sehr schätzen. Wenn wir sprechen sind wir ruhig und wählen liebevolle Worte. Die Andere hört nur zu, ohne zu reagieren oder zu verurteilen, auch wenn das, was die Person sagt auf einer falschen Wahrnehmung beruht. Bei schwierigen Problemen können wir einen weiteren Zeitpunkt vereinbaren, an dem dann die Andere spricht. In der Zwischenzeit werden beide tiefer in sich schauen.
Die Praxis des Neuanfangs hilft uns, unsere liebevolle Rede und unser mitfühlendes Zuhören zu entwickeln und die positiven Elemente bei der anderen Person zu bemerken und wertzuschätzen. Wir könnten beispielsweise feststellen, dass die andere Person großzügig darin ist, ihre Einsichten mitzuteilen, oder wir bemerken, dass ein Dharma-freund Pflanzen liebt.
Indem wir die guten Eigenschaften der Anderen erkennen, sind wir in der Lage auch unsere eigenen Qualitäten zu sehen. Neben diesen guten Seiten haben wir alle auch Schwächen, wie z.B. das Sprechen aus unserem Ärger heraus oder das Gefangensein in unseren Fehlwahrnehmungen. Wenn wir das „Blumen gießen“ üben, unterstützen wir uns gegenseitig in der Entwicklung unserer guten Eigenschaften. Zur gleichen Zeit helfen wir, die schwierigen Seiten der anderen Person abzuschwächen. Wie in einem Garten entziehen wir dem Unkraut des Ärgers, der Eifersucht und der Fehlwahrnehmung die Energie.
Wir können den Neuanfang jeden Tag üben, indem wir unsere Wertschätzung für unsere Mitpraktizierenden ausdrücken und uns auf der Stelle entschuldigen, wenn wir etwas tun oder sagen, das sie verletzt. Wenn wir es waren, die verletzt worden sind, können wir das anderen ebenso freundlich mitteilen. Die Gesundheit und das Glück der ganzen Gemeinschaft hängen von der Harmonie, dem Frieden und der Freude zwischen den einzelnen Menschen ab.